"Music Has The Right To Children" hatte es in sich. Um das zu spüren, durfte man sich allerdings nicht vom Kontext blenden lassen - das Label Warp bzw. Vergleiche mit Plaid oder Autechre waren in diesem Fall nur vage Richtungsbestimmungen. Wenn es einem gelang, diese zu ignorieren, malte das Album als großzügige Gegenleistung ein Fragezeichen in den Himmel. Ein seltsames Wechselspiel aus Abgründen und Euphorie, verknüpft zu einem organischen Ganzen, war ihnen da gelungen. In sich irgendwie schizophren. Aber funktional. Und die Klangmixtur war betörend: kaleidoskopartige, seltsam eiernde Synthietexturen, simple Melodien und langsame, in minutiöser Kleinarbeit gezimmerte Beats. Das I-Tüpfelchen aber waren die darauf verwendeten Stimmen, deren Bearbeitung zum Markenzeichen der Band werden sollte. Denn Boards Of Canada interessiert nicht die Stimme in ihrer direkten Verfügbarkeit, sondern ihre Verfremdung - gepitcht, gescratcht und gecuttet, gerade so, wie es die Beats verlangen.Musik zur Zeit - und doch wie aus einer anderen, vergangenen. Ein passender Vergleich: "Strawberry Fields Forever", John Lennons Hommage an seine Kindergartenzeit. In Abgrenzung zu den meisten anderen Veröffentlichungen unserer Tage geht es bei Boards Of Canada nicht um den oberflächlichen Reiz, sondern darum, die Musik tief im Gedächtnis der Hörer einzunisten, damit sie zu gegebener Zeit zurückkehrt - als musikalischer Alien, der wundervolle Dreiklänge im Kopf entstehen lässt. Da wird aus einem Kinderlachen schon mal ein Sonnenstrahl. Nicht nur in unseren Tagträumen, sondern auch nachts, wenn wir nicht schlafen können, weil der Vollmond ins Fenster leuchtet. In diesen Momenten offenbaren sich allerdings auch die Abgründe dieser Musik. Angst fressen Euphorie. Oder wie es der amerikanische Musikjournalist Steve Nicholls (vom xlr8r-Magazin) so schön auf den Punkt brachte: "It was like the tantalizingly elusive parts of a beautiful dream that you struggle to grasp after waking."Boards Of Canada hatten auch für mich immer etwas Morgentau-artiges. Wie einst Carpenter schicken sie einen unschuldig wirkenden Nebel auf die Menschen zu, der diese erst sanft umgibt, bevor sie an ihm festkleben. Dann werden plötzlich auch andere, weniger einladende Facetten sichtbar. Und warum? Sie wollen uns manipulieren. Und das funktioniert auf ihrem ersten Album perfekt: Zuerst wird man mit den Licht- und Schattenspielen, die alles beherrschen, vertraut gemacht. Dann tauchen Nebelhörner und geisterhafte Voice-Samples auf, geraten in die Speichen der Beats - die Maschine kommt in Fahrt. Ein leises Interlude, diffuse dunkle Nebelschwaden kriechen hin und her, ein seltsames Rattern fährt dazwischen, dann der Break - ein weit vorne stehendes schnarrendes Geräusch, nur ganz kurz, prägnant wie ein Stromschlag.Das reicht, um die beabsichtigte Reaktion auszulösen: Entsetzen. Und weiter geht die Klangreise. Eine kalte Rhythmusspur schiebt sich vom Rand ins Geschehen, kommt näher und näher. Doch kurz bevor das Monster zupackt, fällt plötzlich Tageslicht durchs Fenster, und die Wand aus vergilbten Fotos, quälenden Erinnerungen und Schreckgespenstern verschwindet. Jetzt ist man bereit für große majestätische Hits - die mit "Roygbiv", "Aquarius" und "Turquoise Hexagon Sun" gleich reihenweise vorhanden sind.
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